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Dispatch

Information: This review is written in German. For an English Version, please use Google Translate.

Ganze zwölf Jahre nach ihrem letzten Album „Who are we living for“ folgt nun also das fünfte Studio Album von Dispatch. Nachdem sich die Band 2002 für eine Pause verabschiedete und dann sogar 2004 das Bandende mit dem legendären „Last Dispatch“ Konzert besiegelt wurde, hätte man eigentlich nichts mehr erwarten können. Drei Jahre später besingt Dispatch jedoch drei Nächte lang das Madison Square Garden in Manhatten um Spenden für Simbabwe zu sammeln, 2009 kommt ein kleines Akustikkonzert anlässlich des Besuchs des simbabwischen Premierministers Morgan Tsvangirai und dann im Januar 2011 treffen sich Chad und Brad bei Pete in New York und erleben wieder einen neuen kreativen Moment, als Chad den Refrain zu Pete’s „Turn this ship arround“ liefert. Die sechs Lieder lange grandiose und vielversprechende EP „Dispatch EP“ und eine USA und Europa-Tournee folgen und nun erscheint am 22. August 2012 das neue Album „Circles around the sun“. Zehn Tracks summieren sich auf 38:48 Minuten und somit zum kürzesten aller Studioalben der Band. Der karitative Charakter der Band besteht auch weiterhin, so werden 1 Dollar je verkaufte CD der neuen Platte an „Amplifying Education“ gespendet. Die Organisation konzentriert sich auf Bildungsmissstände an US-Schulen. Zudem sammelt Dispatch (Schul-) bücher auf all ihren Konzerten.

Doch Dispatch klingt nicht mehr ganz so wie Dispatch. Die Stimmen haben sich verlagert: Chad und Brad harmonieren stärker, während Pete sich mehr und mehr in den Hintergrund verabschiedet und nur in zwei Liedern gesanglich auftritt. An Akustiksongs aus den 90ern wie „Flying horses“, „Elias“ oder „Out Loud“ wird nicht angeknüpft. Auch die Reggae-Klänge sind verschwunden, stattdessen mischt sich der Sound aus dem Vorgänger „Who are we living for“ zusammen mit Folk-/Country-Klängen, wie man es aus „Broken American“ kennt. Beginnend mit dem Albumtitel „Circles around the sun“ (CATS) liefert die Band in 3 Minuten 36 alles was sie kann: E-Gitarren Riffs zusammen mit Akustikgitarre, Mundharmonika, ein starkes Schlagzeug und vokalische Harmonien. Der Song ist der perfekte Opener nach 12 Jahren und sicherlich auch auf Konzerten ein grandioser Einstieg um zu zeigen „Wir sind noch da!“.




Gegenüber dem Rolling Stone Magazin erzählt Chad von der Geschichte hinter dem Song: „CATS is the legend of our friend Larry Perry, who passed away this past year. In the early 1960s the space race had captured America. Looking to outdo the Soviets without putting their necks on the line, NASA, in an unprecedented, controversial move, took a very disabled young man away from his family to ready him for space flight. Both the USSR and USA had sent dogs and chimps into space, but the USA wanted more. Larry cannot walk or speak but was in perfect health and, more importantly, in the eyes of the government, expendable. Unbeknownst to them, from a very young age, Larry had always been an adrenaline junkie and the scientists and government officials were actually fulfilling the biggest adventure he could ever dream – to be launched into space. To everyone's surprise, Larry returns from space triumphant and smiling."
Gleichzeitig baut der Opener ein Versprechen auf, dass er nicht ganz halten kann; dazu jedoch später mehr. Es folgt „Not Messin’“ dessen Musikvideo bereits im Internet präsent ist.






Hier finden sich Elemente aus „Just like Larry“, „Everybody Clap“ und „How Now“ vom „Who are we living for“-Album wieder: es gibt Beatboxing, es wird gerappt und viel mit Effekten gespielt; sehr gewöhnungsbedürftig und positiv experimentell zugleich – es bleibt zu erwarten wie der Song live funktioniert.
Mit dem dritten Song „Get ready boy“ greift Dispatch zum Banjo und erinnert an den oben angekündigten Klang aus „Broken American“ von der „Dispatch EP“. Es stört allerdings der naiv, kindisch klingende Ohrwurm-Refrain, so dass der Song beim mehrmaligen hören des Albums zum „Next Track“-Button verleitete.
Danach erwartet uns mit „Sign of the times“ das erste Mal Pete’s Stimme in der ersten Strophe. Der Song bietet einen neuen Dispatch-Sound, ein eher dunkles, gar mysteriöses Gitarrenriff und die volle gesangliche Bandbreite der drei Interpreten. Das Lied überrascht und hätte man so nicht auf einer Dispatch-Platte erwartet. Auf einem Konzert wird es der Song vermutlich selten schaffen, anders als „Josephine“, der beim Kauf bestimmter Fan Packages derzeit direkt als Download angeboten wird.




Hier fühlt man sich klanglich an Pauly T. (der beim „Last Dispatch“ Konzert an der Orgel saß) erinnert. Der Song ist ein Ohrwurm und erhält das Prädikat „gut“.
Es folgt bereits die hintere Hälfte der Platte mit „Flag“. Der Song kommt mit Sicherheit von Brad: nicht nur, dass er ihn singt, er knüpft stark an die musikalischen Klänge aus den Solo-Platten von „Braddigan“ an. Erstmals auf einem Dispatch-Album hört man hier auch leichte Streicher im C-Teil. Mit „Come To Me“ folgt der erste vollständig von Pete gesungene Song. Seine Stimme klingt, wie auch in den letzten Jahren bei Konzerten deutlich zu hören war, sehr tief. Man bekommt das Gefühl, dass ohne die harmonische Gesangsunterstützung von Chad und Brad, Pete vollkommen untergehen würde. Somit führt es einen Dispatch-Fan hier eher zu Mitleid oder Fremdscham und zu schnellem Vorspulen.

Kurz darauf wird man auch leicht entschädigt mit dem Rock-Song „Never or now“, dessen Anfang mit „I really should be gone now“ zuerst einen etwas seichten Punk Song zu versprechen scheint, dann jedoch leicht enttäuscht. Wir kommen nicht umher der Band hier Einfallslosigkeit vorzuwerfen und spulen deswegen vor zu „We hold a gun“ und sind zuerst leicht geschockt von dem schmalzig klingenden Chorus, werden jedoch durch den düsteren Refrain etwas uneins mit dem Lied. Durch den C-Teil fährt Energie auf und somit punktet dieser Song letztendlich dann doch, nicht zuletzt auch durch seine Lyrics.
Und damit sind wir schon beim letzten Song „Feels so good“. Pete meldet sich hier zurück und versagt stimmlich nicht mehr so stark wie bei „Come to me“. Mit E-Gitarre, Keyboard und Orgel wird hier eine gute Stimmung erzeugt, die leicht an die „Two Coins“-Aufnahmen vom „Last Dispatch“ erinnert. Somit endet der gute Song bereits nach zweieinhalb Minuten und nach einer weiteren halben Minute endet das Album durch etwas akustisches Rumblödeln von Pete.

Am Ende bleibt man also mit dem Versprechen vom Opener „Circles around the sun“ (deutlich der beste Song der Platte) ein kräftiges Album zu erwarten. Jedoch bringen es Lieder wie „Get ready boy“, „Come to me“ oder „Never or now“ leicht zu Bruch. Somit bleiben am Ende nur vier, fünf wirklich gute Songs, wodurch wir hier also eher eine weitere EP erhalten. Wir würden das Album nicht jemandem in die Hand drücken, wenn wir ihn von Dispatch-Musik überzeugen wollen. Denn würde man mit dieser CD die Band kennenlernen, würde man sie vermutlich nicht weiter verfolgen.

Positiv anzumerken ist, dass sich die drei Charaktere wieder mehr mischen (auch wenn Chad weiterhin den Löwenanteil innehält). Richtung Ende der „ersten Bandzeit“ war es eher eine Abfolge von Chad-, Pete- und Brad-Songs. Das erkennt man nicht mehr so deutlich, was gefällt und scheinbar auch zu guten neuen Songs wie „Sign of the times“ führt. Strukturiert ist das Album dennoch nicht, muss es aber auch nicht sein. In unserer Skala liegt daher diese Album auf dem letzten Platz aller 5 Sutdio-Alben, jedoch legen wir natürlich als tiefverschworene Dispatchfans die Messlatte extrem hoch und sind daher stark kritisch.

(geschrieben von Christian Scholz, PatchMusic)